“Fridays for Future: Das sind alle, die für unser Klima auf die Straße gehen.“ Das schreibt die junge Umweltbewegung auf ihrer Website über sich selbst. Wir wollten wissen, wie die weltweit bekannten Klimastreiks ihren Weg nach Darmstadt gefunden haben und wie sich die Corona-Pandemie auf die Demonstrationen und Demonstrierenden ausgewirkt hat.
Der Name Greta Thunberg dürfte mittlerweile jedem von uns ein Begriff sein. Im Alter von 15 hatte sich die heute weltbekannte Klimaaktivistin geweigert, den Schulunterricht zu besuchen, um stattdessen gegen die Klimapolitik ihres Heimatlandes Schweden zu demonstrieren. Nichtsahnend, dass sie damit eine weltweite Welle an Demonstrationen und Schulstreiks ins Leben rufen würde, protestierte Greta am 8. September 2018 erstmals mit einem Schild mit der Aufschrift “#FridaysforFuture”. Wenige Monate später kamen die freitäglichen Schulstreiks bei uns in Deutschland an – und auch in Darmstadt ist die junge Bewegung aktiv. Wir haben mit drei Mitgliedern der Darmstädter Ortsgruppe gesprochen:
Silas Bug ist 21 und macht derzeit eine Ausbildung zum Erzieher. Durch diese kennt er auch den 19-Jährigen Phillip Steinert. Berhan Sonkaya ist 22, ebenfalls in der Ausbildung und kennt Silas aus der gemeinsamen Berufsschulzeit. Alle drei helfen bei Fridays for Future Darmstadt als Organisatoren mit.
Fridays for Future: Von Schweden nach Darmstadt
Ende 2018 begannen die ersten #FridaysForFuture Schülerstreiks in Deutschland. Anfang 2019 rief der Stadt-Schülerrat-Darmstadt gemeinsam mit einer Klima-AG der Schule an der Marienhöhe Fridays for Future Darmstadt ins Leben. Der erste Streik der Ortsgruppe fand am 15. Februar statt. Schon sehr früh nahmen auch Silas, Phillip und Berhan an den Demonstrationen teil.
Silas erzählt, dass er durch einen Freund zu FFF gekommen sei. Er habe auch vorher schon von Fridays for Future gehört und sei seit seiner ersten FFF-Demo regelmäßig dabei. Auch Berhan ist schließlich über Silas zur Bewegung gestoßen. Er selbst sei vor Fridays for Future nicht wirklich politisiert oder aktiv gewesen, erzählt Phillip. Da ihm das Thema Klimapolitik aber sehr interessiert habe, wollte er sich engagieren.
Fridays for Future im Bild der Öffentlichkeit
Die meiste Reichweite generiert die FFF-Bewegung über soziale Medien, weiß Silas. Weil sie damit aber vornehmlich jüngere Menschen erreichten, sei auch die Presse eine große Unterstützung dabei, auch die Aufmerksamkeit älterer Generationen auf sich zu lenken. Und das sei wichtig: “Es braucht ja einfach auch ältere Menschen in der Bewegung. Wir wollen ja die gesamte Gesellschaft ansprechen.”
Anfangs galten die FFF-Demonstrant:innen in den Medien zumeist als Schulschwänzer. Doch über die Zeit und mit Unterstützung der Scientists for Future wurden die Forderungen von FFF ernster genommen. Mit mehr als 1,4 Millionen Unterstützer:innen sei FFF schon längst ein wichtiger politischer Player, finden die Interviewten. Dabei gelte die Bewegung eher als friedvoll und regelkonform, vor allem im Vergleich zur themenverwandten Organisation Extinction Rebellion, deren ziviler Ungehorsam häufig radikaler ausfällt.
Die interne Organisation
Eine “Darmstädter Greta” gebe es nicht – und das sei auch gut so, findet Silas. Der Personenkult, der um Luisa Neubauer und Greta Thunberg existiere, lasse die Menschen den eigentlichen Inhalt der FFF-Demos und die Masse an verschiedenen Demonstrierenden vergessen. Gleichzeitig würde so auch die Kritik an einer so großen Bewegung auf Einzelpersonen heruntergebrochen und projiziert. Dass Greta Thunberg der Darmstädter Ortsgruppe auf Instagram folgt freut ihn zwar – überrascht ihn aber nicht besonders. Gegenseitige Unterstützung und Vernetzung unter den verschiedenen Gruppierungen auch über Landesgrenzen hinweg sei Teil der Identität von Fridays for Future.
Intern wird Wert darauf gelegt, Hierarchien zu vermeiden. Im öffentlichen Plenum, das jede Woche stattfindet, werden aktuelle Belange abgestimmt und versucht, in konstruktiven Diskussionen einen gemeinsamen Konsens zu finden. Jede Ortsgruppe wählt außerdem einen bundesweit Delegierten, der wöchentlich mit den anderen Delegierten an einer Telefonkonferenz teilnimmt.
Natürlich ist eine solche Organisation nicht immer ganz einfach, weiß Silas. Bei allen größeren Gruppen gebe es eben von Zeit zu Zeit Spannungen. Da sei es gut, dass alle das gleiche Ziel verfolgen. Die Spannungen könnten aber meist durch Abstimmungen im Plenum gelöst werden.
Doch es gibt noch mehr Hürden, denen Fridays for Future immer wieder gegenübersteht. Das zeigt auch eine Reportage des Ersten (abrufbar in der ARD Mediathek). Da FFF zumeist als eine Bewegung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen betrachtet wird, fühlten sich demnach viele ältere Menschen auf den Demos nicht willkommen. Phillip wehrt sich gegen dieses Vorurteil: Alle seien erwünscht, betont er. Es sei immer schön sich auszutauschen. Nur von der sogenannten Querdenker-Bewegung distanziert sich die Bewegung ganz klar.
Die Darmstädter Ortsgruppe
Silas findet, Darmstadt habe schon eine ziemlich große politische Szene. Das könne am hohen Anteil der Studierenden in Darmstadts Bevölkerung liegen. Phillip fügt hinzu, dass es auch ziemlich viele andere politisch aktive Gruppen gäbe, mit denen man sich als Ortsgruppe solidarisieren könne. Zwischen zwei Ortsgruppen gäbe es aber keine Unterschiede, erklärt Berhan. Man arbeite solidarisch zusammen. Und was müsste sich in Darmstadt ganz konkret ändern, wenn es nach den jungen Organisatoren geht?
Es braucht eine ganz anders aufgebaute Stadt mit mehr Grünflächen, öffentlichen und möglichst kostenlosen Verkehrsmitteln und eine vernünftige Parkraumbewirtschaftung.
Silas Bug, Fridays for Future Darmstadt
Dass sowas nicht von heute auf morgen umsetzbar ist, sei selbstredend. Das heiße aber nicht, Fridays for Future hätte noch nichts verändert. Allein die Aufmerksamkeit, die die Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit aufgrund des Engagements von FFF in der Öffentlichkeit bekommen haben, belohnt die Aktivist:innen für die Arbeit. Die Darmstädter Ortsgruppe habe außerdem die Lokalpresse erreicht und sei an der Verbreitung von Pop-up-Fahrradwegen in Darmstadt beteiligt gewesen, erzählt Phillip.
Fridays for Future und Corona
Mit Ausbruch des Corona-Virus in Europa und schließlich in Deutschland sei das Thema Fridays for Future schnell in den Hintergrund gerückt, erinnert sich Silas. Das Protestmittel von FFF, große Demonstrationen, funktioniere in Zeiten einer globalen Pandemie nicht mehr. Aus Respekt vor Infektionen wurden zunächst ersatzweise Fahrrad- oder Spazierdemos mit großen Abständen unter den Teilnehmenden eingeführt, lange war es nun sehr ruhig um die Organisation.
Laut war einzig die Forderung „Krisen wie Krisen behandeln“, die man von den Anhänger:innen der Fridays for Future-Bewegung häufig hört. Dass mit Covid-19 ganz anders umgegangen werde als mit dem Klimawandel, finden viele FFF-Demonstranten unfair. Silas stellt fest, die Maßnahmen für Corona seien so schnell gekommen, da habe man sich mit den eigenen Forderungen, die dauerhaft ins Leere liefen, lächerlich gefühlt. Der Klimawandel sei auf längere Sicht schließlich mindestens genauso bedrohlich wie die Pandemie – und werde gefühlt nicht halb so ernst genommen.
Schwerpunkte und Ziele
Dass die Thematik des Klimawandels im Bundestag ankommt und im Vordergrund steht, sei damit anhaltend das größte FFF-Ziel für 2021, erklärt Berhan. Es sei ein entscheidendes Jahr, weil in Hessen Kommunalwahlen stattfinden und für ganz Deutschland die Bundestagswahlen anstehen. „Diese Wahlen werden die Klimapolitik für die nächsten Jahrzehnte bestimmen“, weiß er. Er und seine Mitstreiter:innen wollen einiges dafür tun – jetzt endlich auch wieder auf der Straße:
Da vermischt sich Vorfreude mit Erinnerungen. Silas erzählt von der Darmstädter am 20. September 2019: „Da waren 15.000 Demonstrierende in Darmstadt – so viele, wie noch nie vorher!“ Auch für Phillip war dieser Tag besonders. Er habe ihn extrem motiviert, weiterzumachen. Für Berhan hingegen war der ergreifendste Moment eine Spontandemo im Januar 2020, die gegen Kohlegruben in Australien protestierte: „Da hatte es geregnet und war sehr kalt, aber trotzdem waren 100 Leute da. Da war man sehr nahe beieinander.“ Das sind die bewegendsten Momente für die drei jungen Menschen. Vielleicht motivieren sie ja auch dich, an einer der zukünftigen Demos teilzunehmen.