Wenn wir von Nachhaltigkeit sprechen, geht es nicht nur um ökologische Nachhaltigkeit, sondern auch um soziale Nachhaltigkeit. Um Solidarität, Fairness und globales Denken. Denn unsere (Kauf-) Entscheidungen haben nicht nur Einfluss auf uns, sondern auch auf andere Menschen. Der Weltladen Darmstadt schafft Bewusstsein dafür – und Möglichkeiten.
„Vor 44 Jahren, als der Weltladen Darmstadt gegründet wurde, sah die Welt noch etwas anders aus als heute“, erinnert sich Norbert Schneeweis. „Damals gab es im südlichen Afrika noch Kolonien.“ Der heutige Geschäftsführer des Weltladen Darmstadt war dabei, als eine Themengruppe der Katholischen Hochschulgemeinde 1975 das Angebot bekam, in der Elisabethenstraße einen „Dritte Welt Laden“ zu eröffnen. „Das war der Startpunkt für den späteren „Treffpunkt Dritte Welt“ – und zum zwanzigjährigen Bestehen vor 24 Jahren haben wir dann die empfohlene Bezeichnung „Weltladen“ übernommen.“
Egal unter welchem Titel, das Ziel der Arbeit der Weltladen-Initiatoren war stets dasselbe: Das solidarische Handeln (im wahrsten Sinne des Wortes) unterstützen und propagieren. So heißt auch der gemeinnützige Verein, der den Weltladen heute trägt: Solidarisch Handeln e.V. Der doppeldeutige Begriff bringt auf den Punkt, worum es dabei geht. „Unser Ziel ist es, die Produzenten im Süden durch den Vertrieb ihrer Produkte zu unterstützen und dadurch bessere Preise und in Folge dessen bessere Arbeitsbedingungen zu garantieren“, erklärt Norbert Schneeweis.
Verantwortungsvoller Konsum und fairer Handel
Der Kern der Vereinsarbeit ist der Weltladen. Das Team hinter dem Laden, welches zu einem großen Teil aus Ehrenamtlichen besteht, verkauft dort nicht nur das für Weltläden übliche und sehr wichtige Sortiment aus fair gehandelten Lebensmitteln wie Kaffee, Tee und Schokolade, sondern auch eine breite Palette von Handwerksartikeln: Etwa Kinderspielzeug, Bekleidung und Dekoration. „Auch Kleidung mit aufzunehmen war eine logische Entwicklung“, erklärt Schneeweis, „denn in der Textilindustrie ist es mit fairem Handel besonders schlecht bestellt.“
Der faire Handel ist aber nur eine Säule der Arbeit des Weltladen Darmstadt. „Fairer Handel funktioniert nur im Zusammenhang mit verantwortungsvollen Konsumenten“, weiß Maria Tech, Eine-Welt-Promotorin und Mitarbeiterin des Weltladen. Deshalb ist neben dem Abverkauf von Waren auch das Thema Informations- und Bildungsarbeit extrem wichtig für den Verein. Dafür gibt es im Weltladen eine eigene Arbeitsgruppe, welche die „Werkstatt globales Lernen“ auf die Beine stellt: Mit verschiedenen Themenangeboten, etwa der stets sehr beliebten Schokoladenwerkstatt, werden auf spielerisch-unterhaltsame Weise wichtige Informationen über die Herstellung und den Handel von für uns alltäglichen Produkten aufgeklärt.
Mit den Bildungsprojekten besucht die Werkstatt globales Lernen auch Schulen, Kindertagesstätten und andere Einrichtungen. Außerdem verleiht die Werkstatt Medienkisten und Unterrichtsmaterialien, die bei der Aufklärung über die Produkte des fairen Handels und damit auch über die Länder und die Menschen, die damit zu tun haben, informieren und zum Nachdenken und Handeln anregen.
Zur Bildungsarbeit durch den Weltladen gehörte dieses Jahr aber zum Beispiel auch die Mitorganisation der Fashion Revolution Week, die das Ziel hatte, möglichst viele DarmstädterInnen über die Missstände in der Bekleidungsbranche zu informieren. Die zweite Fashion Revolution Week in Darmstadt ist übrigens schon in Planung!
Die drei Säulen von Weltläden: Verkauf, Bildung und politische Arbeit
Die Konsument*Innen aufklären und ihnen Möglichkeiten bieten, verantwortungsvoll zu konsumieren und solidarisch zu handeln – das ist noch nicht genug. Norbert Schneeweis ist der Überzeugung: „Wenn auf politischer Ebene irgendwelche Vorgaben gemacht werden ist das zum Teil sehr viel wirkungsvoller.“ Deshalb ist auch das politische Engagement ein wichtiger Teil der Arbeit des Vereins. Er setzt sich daher auch für Veränderungen und Verbesserungen der gesetzlichen Vorgaben ein, sowohl auf lokaler Ebene, als auch in Zusammenarbeit mit anderen Weltläden auf überregionaler oder nationaler Ebene.
Ein aktuelles Beispiel für dieses politische Engagement der Weltläden ist die Lieferketten-Gesetz-Initiative: Lieferanten sollen nicht nur auf freiwilliger Basis die Verantwortung für ihre Zulieferer und die Arbeitsbedingungen an den Produktionsstätten übernehmen, wie es bisher der Fall ist, sondern diese Verantwortung soll gesetzlichen verankert und die Unternehmen dadurch haftbar gemacht werden. „So was wäre ein Beispiel wo die Politik mehr tun könnte, damit der Handel insgesamt gerechter abläuft“, findet Norbert Schneeweis.
Viel Ehrenamt und starke Strukturen
Im Weltladen arbeiten rund 20 Aktive mit. „Die Ladenschichten werden hauptsächlich ehrenamtlich gestemmt“, erzählt Maria Tech. „Dann gibt es noch Leute, von denen wir wissen, dass sie grundsätzlich Interesse haben mitzuhelfen, wenn es was Spannendes gibt.“ Eine Besonderheit in Darmstadt ist im Vergleich zu anderen Weltläden, dass es über das Ehrenamt hinaus für die Organisation und den Einkauf auch feste Stellen gibt. „Das gibt es wirklich nicht so häufig, Weltläden sind normalerweise rein ehrenamtlich und über gemeinnützige Vereine getragen“, erklärt Norbert Schneeweis. Finanziert werden die festen Stellen im Weltladen Darmstadt in erster Linie durch Brot für die Welt.
Die Bildungsarbeit wird zum Teil mit Honoraren vergütet. Zuschüsse gibt es auch hier von der Inlandsförderung von Brot für die Welt, selten bezuschusst auch die Stadt ausgewählte Projekte. Projekte wie etwa die Wandelkarte werden teilweise auch von einem Programm des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, der Engagement Global gGmbH, unterstützt.
Trotz aller Unterstützung kann eine Initiative wie der Weltladen natürlich nicht ohne Ehrenamtliche leben, weshalb sich das Team des Weltladens und der Verein Solidarisch Handeln e.V. immer über helfende Hände freuen – und ohne verantwortungsvolle Konsument’Innen geht natürlich auch nichts. Wie wäre es deshalb, wenn das nächste Mal die Kaffeedose leer ist im Weltladen vorbeizuschauen statt im Supermarkt? Die Schokolade für den Adventskalender im Weltladen zu kaufen? Und vielleicht ist ja auch etwas Schönes für unter den Weihnachtsbaum dabei…