Wald und Klima hängen sehr stark zusammen! Das ist die Kernaussage der Arbeit des Naturpädagogen Klaus Berger vom Zentrum für globale Nachhaltigkeit Darmstadt. Hier in Darmstadt hat er es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen aller Altersgruppen über verschiedene Wald- und Klimathemen zu informieren und gemeinsam zu handeln. Besonders daran ist die Vereinigung von Bildungsangeboten und Praxis-Projekten.
“Nachhaltigkeit und Darmstadt” – ein kurze Internetsuche zu diesen beiden Wörtern führt natürlich sofort zu unserem Blog. Aber noch auf derselben Seite, nur wenige Einträge darunter, fand ich die Internetseite des “Zentrums für globale Nachhaltigkeit”. “Das klingt doch super interessant”, dachte ich mir. Und mein Interesse wuchs noch mehr, als ich mit Darmstädter:innen gesprochen habe, die davon noch nie etwas gehört hatten. Also telefonierte ich mit Naturpädagoge und Gründer Klaus Berger und sprach mit ihm über verschiedene Themen zu Wald, Klima und Nachhaltigkeit.
Eine lockere Frage zum Einstieg: Hast du denn ein Lieblingstier oder eine Lieblingspflanze?
Berger: Also Lieblingstier kann ich ganz klar sagen, das ist der Elefant. Bei Pflanzen interessieren mich mehr die Wälder insgesamt und da gibt es so viel, dass ich mich gar nicht so einfach festlegen kann.
Wie hat das mit dem Zentrum für globale Nachhaltigkeit angefangen?
Berger: Ich komme ja aus dem Naturschutz. In meiner Jugend habe ich bei verschiedenen Naturschutzorganisationen ehrenamtlich mitgearbeitet. Deshalb war ich viel auf Reisen und habe über die Jahre schon in einigen Ländern gelebt. Und mit dem Hintergrund der Naturschutzarbeit war es für mich immer wieder Thema, dass man mehr mit jungen Menschen arbeiten müsste.
Wie bist du dann auf Darmstadt als Standort gekommen?
Berger: Das hat sich so ergeben. Im Prinzip, weil ich damals hier gelebt habe und dachte, man muss auch regional was machen. Hier habe ich dann 1995/96 das erste Mal eine Projektgruppe für Kinder angeboten. Daraus wurde dann ein Selbstläufer. Innerhalb von ein paar Wochen hatte ich meinen Kalender voll mit Anfragen zu Kinderveranstaltung. Daraus ist zu Anfang “Projekt Waldkinder” entstanden.
Dann kamen noch verschiedene Schulen und Kindergärten dazu und eine Weile später die ersten Fachschulen für Sozialpädagogik. Daraus ist dann 2003 die Naturschule Darmstadt entstanden.
Und was genau ist dann das “Zentrum”?
Berger: Im Jahr 2013 habe ich vom Forstamt Darmstadt, mit dem ich davor schon viel zusammengearbeitet hatte, die Möglichkeit bekommen, das Zentrum zu pachten.
Das Zentrum ist also eigentlich nur der Veranstaltungsort. Alles läuft über die Naturschule Darmstadt als rechtlichen Träger. Parallel dazu habe ich 2013 auch eine kleine Stiftung gegründet, die “Wild Land – Wild Spirit Foundation” und mittlerweile teilen sich Naturschule und Stiftung das Zentrum für Veranstaltungen.
Welche Veranstaltungen macht ihr denn zum Beispiel?
Berger: Wir machen hauptsächlich Bildungsangebote zu globalen Nachhaltigkeits-, Wald- und Klimathemen. Momentan wird unser Programm hauptsächlich von Schulen genutzt. Daneben haben wir noch verschiedene Ferienangebote.
Wir bemühen uns, auch im Erwachsenenbereich mehr zu machen. Ich hatte zum Beispiel letztens eine Waldführung mit dem Ortsverband der Grünen. Da haben wir sehr viel über Klimathemen und Waldschäden geredet.
Wer ist wir? Wer gehört alles zum Team?
Berger: Also wir sind ein kleines Team. Ich sage jetzt mal, dass ich derjenige bin, der im Zentrum am meisten macht. (lacht) Meine Frau ist noch mit dabei, aber sie ist aktuell eher außen vor ist, weil wir grade ein Kind bekommen. Dann wäre da noch ein Freund von mir, der Biologe ist. Und noch ein paar andere Freunde und Helfer.
Wie sah und sieht es denn in Zeiten der Corona-Pandemie aus? Konntet und könnt ihr euer Programm trotz der gegebenen Umstände durchführen?
Berger: Unsere Angebote in den Osterferien 2020 mussten wir komplett absagen. Aber in den Sommer- und dann auch in den Herbstferien hatten wir jeweils zwei Wochen Ferienprogramm. Zwischendurch hatten wir auch ein paar Schulveranstaltungen. Aber natürlich gab und gibt es viele Auflagen zu den Hygienevorschriften: Abstand halten, Masken tragen und Desinfektionsspender aufhängen.
Aktuell ist das Zentrum wieder geöffnet und kann an Sonntagen und auch manchen Wochentagen nachmittags ab 14 Uhr besucht werden. Unsere Naturschutzgruppe für Kinder wurde donnerstags neu gestartet, Schulklassen kommen wieder zu Veranstaltungen, in den bevorstehenden Sommerferien haben wir 2 Wochen Ferienprogramm.
Wie geht ihr die Bildungsangebote für Kinder zum Thema Wald eigentlich genau an?
Berger: Der Wald nur als Ansammlung von Bäumen ist für Kinder nicht sonderlich interessant. Natürlich wollen sie Tiere sehen, was in der Praxis aber eigentlich nie funktioniert. Deshalb haben wir uns Wildtierkameras angeschafft und aufgestellt. Also Kameras, die über Bewegungsmelder ausgelöst werden und alles filmen – auch bei Nacht. Wir gehen also mit den Kindern raus und suchen nach Spuren oder vielleicht nach einem Fuchsbau. Dort bringen wir die Kameras dann an. Damit haben wir erst in diesem Jahr angefangen und trotzdem schon sehr viele Tieraufnahmen von Füchsen, Wildschweinen oder sogar Rehen. Für die Kinder ist es eine Offenbarung, weil sie diese Tiere endlich selbst sehen können.
Wenn wir schon beim Thema Tiere sind, ihr habt auch das Thema “Die Rückkehr von Wolf, Luchs und Bär”. Worum geht es da?
Berger: Es ist kein Thema, wofür wir uns aktiv einsetzen und die Wiedereinbürgerung fördern würden. Es ist ein reines Bildungsthema. Die Wölfe kommen von ganz alleine zurück. Und auch Bären kommen immer mal wieder aus den Alpen über die Grenze wie Bruno damals.
Wildtierpädagogik ist für uns generell sehr wichtig. Dabei kommt natürlich immer wieder das Thema Wolf auf. Also greifen wir die Wölfe auch im Rahmen unserer Bildungsarbeit auf. Wenn wir nämlich wieder die ersten Wolfsrudel in Darmstadt haben, – und das wird mit Sicherheit passieren – dann ist es einfach nötig, die Bevölkerung über die Gefahren beziehungsweise die nicht vorhandenen Gefahren aufzuklären.
Was denn zum Beispiel?
Berger: Die Angst vor Wölfen ist durch Märchen wie “Rotkäppchen” tief im Deutschen verankert. Jeder Biologe sagt aber eigentlich, dass Wölfe sind scheue Tiere sind, die uns eigentlich aus dem Weg gehen. Insofern denke ich nicht, dass es eine Gefahr ist, wenn Wölfe zu uns zurückkommen. Viele Länder wie Polen oder die Slowakei haben hohe Wolfspopulationen und die Leute leben ganz normal damit. Nur bei uns ist das ein großes Thema.
In Afrika sagen manche Leute immer wieder: “Ihr erwartet von uns, dass wir unsere Elefanten und Löwen schützen, aber schafft es selbst nicht, das im eigenen Land umzusetzen.” Wenn wir also erwarten, dass afrikanische Länder ihre Wildtierbestände erhalten, müssen wir auch hinbekommen, dass sich unsere heimischen Wildtiere wieder ansiedeln.
Ihr arbeitet auch eng mit anderen Ländern und Naturschutzorganisationen zusammen?
Berger: Ja, natürlich. Meine Frau stammt ursprünglich aus Kenia und dort haben wir das Projekt “Forests, Elephants and People”. Es geht dabei um die Koexistenz von Menschen und Wildtieren und natürlich um Waldschutz. Wir fördern dort kleine lokale Organisationen und Projekte, die bei uns in Deutschland eher unbekannt sind. Denn gerade die brauchen unsere Unterstützung – und nicht die großen Organisationen.
Was ist bei euch im Vergleich zu anderen Organisationen anders?
Berger: Wir haben Erfahrung in den Ländern vor Ort und wir fördern sowohl dort, als auch hier in Darmstadt. Das ist bei vielen Organisationen nicht der Fall. Entweder arbeiten sie im Ausland oder sie machen hier Bildungsveranstaltungen und sind dafür auf Informationen von außen angewiesen.
Wir sind auf beiden Seiten und machen Bildungsarbeit zu Themen, die wir selbst mitbringen. Das zeichnet uns aus.
Welches neue Projekt würdest du gerne anfangen?
Berger: Ich würde nichts Neues anfangen, sondern unsere Arbeit in Kenia intensivieren – und das verbunden mit Leuten aus Deutschland, die das Projekt als Sponsoren oder Helfer mittragen. Wir möchten dort auf lange Sicht Wald und Wildtiere zusammen mit der Bevölkerung schützen.
Teilweise passiert es heute noch, dass irgendwo ein Nationalpark gegründet wird und die Menschen, die dort teilweise schon seit Jahrhunderten leben, müssen einfach weg. Dieser Ansatz ist so überholt und es setzen sich viele Menschenrechtsorganisationen für diese Völker ein. Einfach die Menschen dort integrieren und mit ihnen zusammen Naturschutzprojekte durchführen, anstatt über ihre Köpfe hinweg.
In welchen anderen Regionen außer in Kenia seid ihr sonst noch aktiv?
Berger: Bevor ich nach Afrika kam, war ich zum gleichen Thema erstmal in Asien unterwegs, vor allem in Kambodscha. Dort ist sehr viel Wald zerstört, ich glaube, es gab einen Waldverlust von knapp 60% in den letzten 25 Jahren. Und auch sonst ist es ein äußerst schwieriges Land, denn zum einen ist es brüllend heiß. Außerdem ist Kambodscha auch heute noch stark vermint. Du musst also bei jedem Schritt, den du in einem Wald machst, überlegen, ob du da jetzt deinen Fuß hinsetzen kannst.
Wir sind zwar heute noch mit den Projekten dort verbunden, aber der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt seit 2016 in Kenia. Das Ganze hängt natürlich auch von den Mitteln ab, die man zur Verfügung hat. Ist viel Geld da, können wir auch noch Projekte in Kambodscha fördern. Momentan sind wir eher darum bemüht, unsere Projektarbeit in Kenia zu finanzieren
Wie finanziert ihr euch denn?
Berger: Also für die Auslandsarbeit ist es sehr schwierig. Wir haben zum einen eine Crowdfunding-Kampagne für unser Afrika-Projekt. Dann halte ich gelegentlich noch Vorträge zur Arbeit in Kenia, da finden sich gelegentlich Spender, die teilweise auch mal einen größeren Betrag zur Verfügung stellen. Aber man muss sich hierfür wirklich anstrengen.
Für unsere regionale Arbeit ist es dagegen eigentlich relativ einfach. Unser Bildungsbereich ist im wesentlich einfacher abzudecken. Für das Thema “Wald, Klima, Regenwald” haben wir sogar einen Förderpreis gewonnen und können Schulveranstaltungen momentan kostenlos anbieten.
Auf eurer Website steht, dass ihr einen “Food Forest” angepflanzt habt. Was ist das genau?
Berger: Der “Food Forest” produziert, wie der Name schon sagt, Nahrung und ist ein Wald mit einem hohen Anteil an essbaren Pflanzen, aber auch an Bambus für Baumaterial. Gleichzeitig ist er ein eigenes Ökosystem, in das kleinere Tierarten zurückfinden können.
In Kenia gibt es Gegenden, die früher Regenwälder waren und heute landwirtschaftlich genutzt werden. Wir wollten schauen, ob man dort wieder zusammenhängende Waldgebiete erschaffen kann. Wie bringt man jetzt Leute dazu, Land zur Verfügung zu stellen? Indem das Wiederaufforsten den Menschen vor Ort etwas bringt – nämlich Nahrung. Sonst funktioniert das nicht.
Wir wollen die Leute dort zur Nachahmung inspirieren. Wenn es in Kenia irgendwann mehrere solcher “Trittsteine” gibt, bildet sich daraus vielleicht ein vernetzender Korridor aus zwei oder mehr Waldgebieten.
Was ist daran so bedeutsam?
Berger: Im Wald leben global gesehen weltweit die meisten Arten. Wenn wir also den Wald schützen, können wir ganz viele Arten erhalten. Außerdem hängen Wald und Klima zusammen. Der CO2-Ausstoß durch die globale Waldvernichtung liegt bei 17%, glaube ich. Wir könnten allein dadurch also viel zum Klimaschutz beitragen.
Es geht ja in unserem Blog und auch bei euch um Nachhaltigkeit. Was bedeutet Nachhaltigkeit für dich?
Berger: Der Begriff kommt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und bedeutet im Endeffekt einen Wald so zu bewirtschaften, dass er sowohl in seiner Biomasse als auch in der Artenzusammensetzung langfristig erhalten bleibt. Und da ich aus der Waldthematik komme, hänge ich persönlich an dieser ursprünglichen Bedeutung von Nachhaltigkeit.
Wenn man das Holz und die Papierprodukte billig aus dem Ausland einkauft, kann man bei uns natürlich super nachhaltige Waldwirtschaft betreiben. Damit öffnen wir aber dem Raubbau woanders Tür und Tor. Globale Nachhaltigkeit würde für uns also heißen: In Waldwirtschaft und anderen Bereichen so zu handeln, dass die gesamte Produktionskette nachhaltig ist und nicht nur der letzte Teil in Deutschland.
Durch Wille und Engagement
Es gibt viele Wege, um sich für die Natur und unseren Planeten einzusetzen. Klaus Berger und sein Team verfolgen diesen Ansatz und hoffen, dass viele Menschen wieder eine größere emotionale Bindung zu unserem Planeten aufbauen können wie sie viele indigene Volksgruppen immer noch haben. Dann würde jedem ganz viel einfallen, was täglich zum Wohle der Natur und des Klimas getan werden kann. Deshalb findet er auch das Engagement der “Fridays for Future”-Bewegung auch total gut und hofft, dass in Zukunft vielleicht auch eine Zusammenarbeit möglich ist. Das Wissen über den Klimawandel und das Artensterben ist bei uns allen nämlich eigentlich vorhanden, es fehlt seiner Meinung nach eigentlich nur der Wille und das Engagement etwas zu ändern. Das versucht er den Teilnehmern seiner Kurse und auch uns deutlich zu machen.
Hast du noch einen Abschlussgedanken, die du unseren Lesern noch mit auf den Weg geben willst?
Berger: Ein Indigener hat einmal zu mir gesagt – und das fand ich total klasse: “Wenn wir die Erde oder die Natur so behandeln würden, wie ein liebender Mensch seine Eltern, Kinder oder Partner, die schwer erkrankt sind, dann würde man nicht groß fragen, ob man helfen soll, sondern man würde es einfach tun.”